Orientierung in stürmischen Zeiten
Akute berufliche Krisen können Menschen völlig aus der Bahn werfen – oft ausgelöst durch eine Kette ungelöster Konflikte, abrupter Veränderungen oder belastender Lebensumstände. Typische Auslöser sind:
- Mobbing oder anhaltende Konflikte am Arbeitsplatz
- Führungswechsel oder strukturelle Umorganisationen
- Ausbleibende Anerkennung oder Beförderung
- Kündigung oder drohender Jobverlust
- Studien- oder Ausbildungsabbrüche
- Psychische Überlastung, Burnout, Panikattacken, depressive Episoden
Oft sind es jedoch nicht die „großen“ Ereignisse allein, sondern die ständige Wiederholung kleiner Demütigungen und das Gefühl der Entwertung, das langfristig zu einem emotionalen Zusammenbruch führt.
In solchen Situationen empfinden Betroffene häufig einen enormen inneren Druck. Viele ziehen sich zurück, funktionieren nur noch oder suchen erst spät Hilfe – aus Scham, Angst oder dem Wunsch, „es allein zu schaffen“.
Der Vorteil von Laufbahnberatung in Krisenzeiten
Die Laufbahnberatung bietet in diesen Fällen eine niedrigschwellige, nicht-stigmatisierende Anlaufstelle. Im Unterschied zur klassischen Psychotherapie steht hier der beruflich-biografische Kontext im Zentrum – mit Raum für Reflexion und ressourcenorientierte Neuorientierung.
Berater*innen begegnen in der Praxis häufig Aussagen wie
- „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“
- „Ich halte das nicht mehr aus, ich stehe kurz davor zu kündigen.“
- „Welche Optionen habe ich überhaupt noch?“
- „Ich bin krankgeschrieben, aber der Druck zurückzukehren wächst.“
- „Schon der Gedanke an das Gespräch mit meiner Vorgesetzten macht mir Angst.“
Diese Aussagen sind Ausdruck von Überforderung, Unsicherheit und Entscheidungsdruck – und damit Anlass für eine sensible, ressourcenorientierte Begleitung.
Beratungsschwerpunkte in akuten Krisensituationen
Gerade die Laufbahnberatung nach dem Zürich-Mainzer-Laufbahnberatungsmodell ermöglicht in diesen Situationen ein professionelles Vorgehen, da in ihrem Strukturmodell der ganzheitliche Ansatz verankert ist. Sie erlaubt Beziehungsarbeit, unterstützt die Sinnsuche und wirkt stabilisierend.
1. Beziehungsaufbau & Sicherheit geben
- Aktives Zuhören, echtes Interesse, Empathie
- Wertschätzung und Respekt – auch für scheinbar „irrationale“ Gefühle
- Schaffen eines sicheren Rahmens für emotionalen Ausdruck
2. Ressourcen- und Gegenwartsorientierung
- Stabilisierung durch die Wertschätzung „kleiner“ Erfolge und die Anregung zur Selbstfürsorge
- Besinnung auf eigene Kompetenzen, Werte und bisher bewältigte Krisen
- Arbeit am „Hier und Jetzt“ – Fokus auf das Machbare
- Das soziale Netzwerk mobilisieren
3. Krisenkompetenz statt Krisenlösung
- Kein Druck zu vorschnellen Entscheidungen!
- Entwicklung von Handlungsspielräumen, nicht sofortige Lösungen
- Arbeit an mentaler und emotionaler Selbstwirksamkeit
Haltung der Berater*innen
Laufbahnberater*innen benötigen – gerade in Krisensituationen – eine hohe Selbstreflexionskompetenz. Sie müssen erkennen, wann sie mit ihrem eigenen Wunsch nach Ordnung oder „Heilung“ in der Beratung agieren.
Beratung in der Krise bedeutet nicht, „gute Ratschläge“ zu geben, schnelle Entscheidungen herbeizuführen oder die Situation „reparieren“ zu wollen.
Es geht viel mehr darum, den Menschen in seiner Selbstheilung zu unterstützen, ihm die Fülle seiner Ressourcen zu spiegeln und einen stabilisierenden Rahmen zu schaffen.
Angelika Teske-Letzsch